Die Menschheit ernähren. Eine harte Arbeit
Laut den Vereinten Nationen sind 3,83 Milliarden Menschen auf die Nahrungsmittelindustrie angewiesen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Der „primäre Sektor“ ist der wichtigste. Er ist das Rückgrat vieler Volkswirtschaften, umfasst die Landwirtschaft mit Viehzucht sowie Fischerei und Aquakultur und beschäftigt über eine Milliarde Menschen, hauptsächlich in Asien und Afrika. Ausserdem produziert er jedes Jahr rund elf Milliarden Tonnen Rohmaterial an Nahrungsmitteln. Der „sekundäre Sektor“ umfasst die Verarbeitung, Verpackung und den Transport von Lebensmitteln, vor allem in Ländern, in denen die Lebensmittelindustrie und der Handel mit verarbeiteten Produkten stark entwickelt sind. Der „tertiäre Sektor“, der mit dem Verkauf in Geschäften und der Gastronomie verbunden ist, ist in grossen Volkswirtschaften wie den USA, Europa und Asien stärker entwickelt, wo die Nachfrage nach Gastronomie- und Lieferdiensten stetig wächst.
Was die Arbeitsbedingungen betrifft, so ist das globale Ernährungssystem nach wie vor durch Ungleichheiten zwischen den Ländern des globalen Nordens und Südens sowie durch eine grössere Vulnerabilität der Beschäftigten im Primärsektor gekennzeichnet, während sich höher qualifizierte Arbeitsplätze in den industrialisierten Regionen konzentrieren. Trotz ihrer wesentlichen Rolle geniessen diese Arbeiterinnen und Arbeiter in der Regel keine nennenswerte sozioökonomische Anerkennung. Sie sind mehrheitlich vom Eigentum an dem Land, das sie bewirtschaften, den Produktionsmitteln, die sie verwenden, und den Produkten, die sie ernten, aus geschlossen. Gewerkschaften, Bauernverbände, Unternehmen, die sich der Nachhaltigkeit verschrieben haben, sowie Verträge und Gesetze, die die Rechte von Arbeitnehmenden regeln, wie beispielsweise die von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gefördert, setzen sich für eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen ein.
Jonas Bendiksen, Ein kleiner Metzgerstand, Xiamen, China, 2017 © Jonas Bendiksen/Magnum Photos
Sie arbeiteten auf den Feldern, den Bauernhöfen und den Plantagen
Seit Beginn der Neuzeit im 16. Jahrhundert spielten Landarbeiterinnen und Landarbeiter eine zentrale Rolle für den wirtschaftlichen Aufschwung und die Steigerung der weltweiten Nahrungsmittelproduktion. Einige Autoren haben unser Zeitalter als „Plantagenozän“ bezeichnet, was sich auf die Entstehung grosser Plantagen mit Monokulturen von Grundnahrungsmitteln wie Getreide bezieht, aber auch von Exportgütern, die nicht unbedingt für die Ernährung notwendig waren, wie Zucker, Kaffee, Tee und Kakaot. Diese Arbeiterinnen und Arbeiter stellten die Arbeitskräfte, die für das Wachstum der Industrien und den Aufschwung der internationalen Märkte benötigt wurden. Ihre Geschichte ist jedoch geprägt von oft harten Arbeitsbedingungen. Bis ins 19. Jahrhundert waren die meisten von ihnen kolonialen Sklavereiregimen oder anderen, zum Teil extremen Formen der Ausbeutung und Unterwerfung unterworfen. Auch heute noch werden sie in vielen Teilen der Welt von skrupellosen Landbesitzern und Industriellen oder in einigen Fällen von mafiösen Netzwerken ausgebeutet. Trotz der Bemühungen zahlreicher Arbeitgeber, Gewerkschaften, NGOs (Nicht-Regierungsorganisationen) und internationaler Organisationen werden ihre grundlegenden Menschenrechte häufig untergraben.
Köchinnen und Köche in der Restaurantindustrie
Sie versorgen täglich Milliarden von Menschen mit Mahlzeiten. Die Menschen, die in diesem Sektor arbeiten, übernehmen unterschiedliche Rollen in einer Vielzahl von Kontexten. In Restaurants bedienen sie eine vielfältige Kundschaft, indem sie kulinarische Traditionen aufrechterhalten oder Innovationen anbieten, während sie in Schulkantinen täglich nahrhafte Mahlzeiten für Millionen von Kindern zubereiten. In Unternehmen ermöglicht die Gemeinschaftsverpflegung den Mitarbeitern, sich vor Ort zu verpflegen, was die Wege verkürzt und die Kollegialität fördert. In Krankenhäusern oder Altenheimen bereiten Küchenteams Mahlzeiten zu, die auf die speziellen Diäten der von ihnen betreuten Personen abgestimmt sind. Auch in Gefängnissen ist die Verpflegung eine unverzichtbare Dienstleistung. Armeen verlassen sich ebenso auf ihre Köche, um die Versorgung mit regelmässigen Mahlzeiten zu gewährleisten, manchmal unter schwierigen Bedingungen. Im Transportwesen schliesslich werden an Bord von Flugzeugen, Zügen oder Schiffen Mahlzeiten serviert, um den Passagieren die Reise zu versüssen oder sie einfach nur möglich zu machen!
Beschäftigte in der Lebensmittelverarbeitung, -verteilung und -vermarktung
Sie haben vielfältige Aufgaben, die für die Versorgung der Bevölkerung von entscheidender Bedeutung sind. In den Fabriken verarbeiten sie Millionen Tonnen von Rohstoffen (Getreide, Zucker, Gemüse, Fleisch, Milch, usw.) zu Produkten wie Teigwaren, Milchprodukten oder Konserven. Ihre Arbeit reicht vom Sortieren der Lebensmittel über das Bedienen der Maschinen bis hin zum Verpacken. Die Beschäftigten in der Logistik kümmern sich um den Transport und Vertrieb und sorgen dafür, dass die Produkte pünktlich auf den lokalen, nationalen und internationalen Märkten ankommen. Und schliesslich sorgen Millionen von Verkäuferinnen und Verkäufern in Supermärkten, Fachgeschäften, Lebensmittelgeschäften und auf Märkten für die Verfügbarkeit der Produkte und beraten die Verbraucher. Auch wenn diese Berufe manchmal prekär sind und oft wenig Wertschätzung erfahren, sind sie doch unverzichtbar, um eine konstante und vielfältige Versorgung zu gewährleisten und so Engpässe zu vermeiden. Indem sie so vielen Menschen wie möglich den Zugang zu einer abwechslungsreichen Ernährung ermöglichen, tragen sie direkt zur Stabilität der Welternährung bei.
Zied Ben Romdhane, Die Bäckerei von Mohammed Charawandi, Midoun, Djerba, Médenine, Tunisien, 18.03.2022 © Zied Ben Romdhane/Magnum Photos
Die Menschen, die uns ernähren
Eine grosse Anzahl von Arbeiterinnen und Arbeitern machen jede unserer Mahlzeiten möglich. Vom Arbeiter auf einer Plantage bis zum Restaurantkoch, vom Konditor bis zum Essenslieferanten – diese Menschen üben eine Vielfalt von anspruchsvollen und oft exponierten Berufen aus. Obwohl sie komplexe Techniken beherrschen und über spezifische Kenntnisse verfügen, die sie im Laufe ihrer Karriere erworben und manchmal von Generation zu Generation weitergegeben haben, werden ihre Leistungen häufig unterschätzt und sozial kaum gewürdigt. Sie ernähren den Planeten unter Bedingungen, die gesellschaftliche, wirtschaftliche und rechtliche Fragen und manchmal sogar Menschenrechts-Themen aufwerfen. So gibt es beispielsweise in einigen Regionen der Welt nach wie vor Kinderarbeit. Lange Tage, die von Stress, Saisonalität und Produktivitätsanforderungen geprägt sind, sind häufig. Darüber hinaus tragen klimatische Unwägbarkeiten, Marktschwankungen und wirtschaftliche Unsicherheit zu ihrer problematischen Situation bei. In der Landwirtschaft wirkt sich der Kontakt mit Pflanzenschutzmitteln und Chemikalien negativ auf die Gesundheit aus, während schwere körperliche Aufgaben und die Belastung durch Witterungseinflüsse die Arbeit erschweren. Diese oft saisonal verdrängten Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, die für die globale Ernährungssicherheit von entscheidender Bedeutung sind, haben eine unterdurchschnittliche Lebenserwartung.
Jedes Lebensmittel, das uns zur Verfügung steht, gibt uns die Möglichkeit, die Arbeit zu betrachten, die von diesen vielen Menschen geleistet wurde.
Zucker: Eine chronische Abhängigkeit unserer Welt
Zunächst im Zuge der arabisch-islamischen Kolonialisierung im 7. Jahrhundert über den Mittelmeerraum verstreut, wurde die Zuckerindustrie ab dem 16. Jahrhundert zur Speerspitze des europäischen Kolonialunternehmens. Die grossflächige Produktion von Rohrzucker in den Sklavenkolonien Amerikas und der Karibik hat in ihrer Schnelligkeit und Unmenschlichkeit Welt- und Wirtschaftsgeschichte geschrieben, da ein Grossteil der 12 Millionen afrikanischer Sklaven, die nach Amerika verschleppt wurden, in der Zuckerproduktion eingesetzt wurde. Der in Europa produzierte Rübenzucker diversifizierte im 19. Jahrhundert das weltweite Angebot und förderte den Aufschwung der Back- und Süsswarenindustrie. Seither werden auch Dattel-, Gersten-, Kokos-, Trauben-, Sorgo-, Kürbis- und Fruchtzucker sowie Industriezucker aus Mais und Weizen hergestellt.
Der Zuckerkonsum ist im Laufe der Jahrhunderte stetig gestiegen und erreichte in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg mit rund 50 Kilogramm pro Kopf und Jahr einen absoluten Spitzenwert! Im Jahr 2021 lag der weltweite Durchschnittsverbrauch bei 23 kg pro Person, in der Schweiz bei über 36 kg pro Person. Während sich der Konsum heute weltweit stabilisiert hat, steigt er in den Schwellenländern weiter an, wo die Bevölkerung neue Ernährungsgewohnheiten annimmt.
Der übermässige Zuckerkonsum in der heutigen Ernährung ist zur Hauptursache der weltweiten Epidemie von Übergewicht und Fettleibigkeit geworden. Etwa 39 % der Erwachsenen weltweit sind übergewichtig und 13 % fettleibig. Der rapide Anstieg von Typ-2-Diabetes, von dem 10 % der erwachsenen Weltbevölkerung betroffen sind, steht in direktem Zusammenhang mit diesem übermässigen Konsum und hat verheerende gesundheitliche, soziale und wirtschaftliche Folgen. Bestimmte Vorschriften und die Förderung einer ausgewogenen Ernährung tragen dazu bei, diese negativen Auswirkungen auf die globale Gesundheit zu mildern.