Salzernte nach der natürlichen Verdampfung (Sonne und Wind) auf Plastikplanen, Guinea, Westafrika, 1998
Einsammeln des Salzes nach der natürlichen Verdampfung (Sonne und Wind) auf Plastikplanen, Guinea, Westafrika, 1998
Salztrocknung, Guinea, Westafrika, 1998
Salzernte nach der natürlichen Verdampfung (Sonne und Wind) auf Plastikplanen, Guinea, Westafrika, 1998
Einsammeln des Salzes nach der natürlichen Verdampfung (Sonne und Wind) auf Plastikplanen, Guinea, Westafrika, 1998
Salztrocknung, Guinea, Westafrika, 1998
Sie wenden den anthropotechnischen Ansatz überall auf der Welt an. Wie ging das mit den Salzproduzenten in Guinea konkret vor sich?
„Das Projekt in Guinea war etwas Besonderes, da es nicht von der Bevölkerung vor Ort, sondern den bretonischen Salzbauern aus Guérande ausging. Sie wollten ihre Gewinnungstechnik – die Salzgärten – nach Guinea transferieren, um das Abholzen der Mangrovenwälder dort zu bremsen. Gleichzeitig sollte sichergestellt werden, dass diese Technologie auch wirklich den Bedürfnissen der Susu als lokalen Produzenten gerecht wird.
Ich blieb vierzehn Monate vor Ort. Natürlich stimmt, dass die traditionelle Salzgewinnung Holz verbraucht, doch habe ich schnell bemerkt, dass die Produzenten ein effizientes Bewirtschaftungsverfahren für das Mangrovenholz anwandten. Sie wussten, wie sie die Ressource Mangrovenholz zu nutzen hatten. Denn dort gab es keine Abholzung. Die Probleme lagen woanders. Zu der Zeit hatten die Susu andere Wünsche : Sie wollten vor allem ihre Arbeitsbedingungen verbessern, ihre Aufgaben weniger beschwerlich machen – die Salzproduktion war hartes Brot (hohe Temperaturen vor den Salzöfen, Mücken in den Mangrovenwäldern, beschwerlicher Wasserzugang, isoliertes Leben in den Camps, viermonatiges Schulversäumnis der Kinder usw.) – und Techniken einführen, die gleichzeitig ihre Reisfelder sicherten, um Reisanbau zuverlässig zu ermöglichen.
Es zeigte sich zudem, dass der örtliche Lehm technisch von anderer Beschaffenheit war als der in Guérande: nicht wasserbeständig genug, und die Salzgärten lieferten für den Verzehr ungeeignetes Salz. Die Einführung von Salzgärten stiess auf ein komplexes System der Bodenverteilung, weshalb nicht alle Produzenten von dieser Produktionsart hätten profitieren können. Mehrere Salzbauern besassen kein eigenes Land, sondern nur zeitlich begrenztes Nutzungsrecht. Sie konnten nicht sicher sein, im Jahr darauf noch auf ihren Flächen zu bleiben. Das alles ermutigte sie nicht, in die aufwändige Einrichtung der Salzgärten zu investieren.
Die Realität vor Ort war demnach weit entfernt von den Verhältnissen der Salzbauern in Guérande, die bei den Susu Salzgärten nach ihrem Vorbild errichten wollten. Deshalb konnte dies technisch, wirtschaftlich und sozial nicht funktionieren. Meine Rolle als Ethnologe bestand darin, die Erwartungen der Susu-Produzenten zu vertreten sowie die Transfergrenzen des Salzgärten-Systems von Guérande aufzuzeigen, die sich bei der ‚Konfrontation‘ mit der Wirklichkeit vor Ort ergaben. Danach starteten wir einen gemeinsamen Entwicklungs-Prozess mit den zukünftigen Nutzern.“
Salzgärten basieren auf dem Prinzip der Salzgewinnung durch Verdampfen des Meerwassers über Sonne und Wind in Becken mit Ventilsystem. Salzgärten von Guérande, Frankreich
©Shutterstock/fred goldstein
Ein Salzbauer erntet Salz. Salzgärten von Guérande, Frankreich
‘Fleur du Sel‘ ist eine feine Salzschicht, die sich durch Wind bildet und an der Wasseroberfläche der Salzgärten ausfällt. Salzgärten von Guérande, Frankreich
Salzgärten basieren auf dem Prinzip der Salzgewinnung durch Verdampfen des Meerwassers über Sonne und Wind in Becken mit Ventilsystem. Salzgärten von Guérande, Frankreich
©Shutterstock/fred goldstein
Ein Salzbauer erntet Salz. Salzgärten von Guérande, Frankreich
‘Fleur du Sel‘ ist eine feine Salzschicht, die sich durch Wind bildet und an der Wasseroberfläche der Salzgärten ausfällt. Salzgärten von Guérande, Frankreich
Haben Sie als Ethnologe auch die Bedeutung von Vorstellungsbildern untersucht?
„Absolut. Man muss sich fragen: „Was bedeutet das Salz für die Susu?“ Traditionell stellen sie Salz her, indem sie salzhaltige Erde mit Meerwasser zu Sole vermischen. Diese wird anschliessend in Bottichen bis zur Salzkristallbildung erhitzt. Die Susu erzählten mir, dass das von den Salzbauern von Guérande produzierte Salz für sie kein Salz sei. Es fehlte das, was man in der Ethnologie einen Katalysator nennt, d.h. in ihren Augen fehlte die salzhaltige Erde, die es dem Susu erst ermöglicht, Salz herzustellen. Man musste also eine Technik ersinnen, die ein mit ihrer Vorstellungswelt im Einklang stehendes Lebensmittel hervorbringt. Dies war einer der Gründe, weshalb wir das Vorbild der Salzgärten von Guérande aufgegeben und uns einer Gewinnungsmethode auf Plastikplanen mit einer Soleproduktion, die Salzwasser und salzhaltige Erde verbindet, zugewandt haben. Dabei war wichtig, dass das Verfahren zur Vorstellungswelt der Susu passte. Wir stellten fest, dass – unabhängig von Technik oder Erzeugnissen – ein Produkt nicht funktionieren wird, wenn es nicht mit der vorhandenen Vorstellungswelt übereinstimmt. Oft scheitert der Technologietransfer – auch im Lebensmittelbereich – aus symbolischen oder gedanklichen Gründen.“
Die Herstellung von Salz auf Planen war ein Erfolg?
„Absolut! Diese Lösung war für die Bevölkerung viel besser als die Salzgärten nach dem Vorbild von Guérande. Plastikplanen sind bekannt, billig, werden vor allem während der Regenzeit benutzt, und haben sich schnell amortisiert. Dieses Hilfsmittel stellt zudem kein Problem hinsichtlich des Grundeigentums dar, da es beweglich ist, schnell installiert oder notfalls von einem Gelände zum anderen transportiert werden kann. Der Gebrauch der Planen ist einfach: Man schüttet die Sole darauf, und mithilfe von Sonne und Wind kristallisiert das Salz innerhalb weniger Stunden, ohne dass es überwacht werden müsste. Da die Frauen zur Überwachung der Salzbottiche nicht mehr vor den Feuern bleiben mussten, konnten sie sich in der Zwischenzeit um das Räuchern von Fisch kümmern oder diesen auf dem Markt verkaufen – und gleichzeitig Salz herstellen. Dadurch nahm der Wohlstand der Frauen zu. Einige Frauen begannen sogar, Land zu kaufen und Häuser zu bauen, die sie an Privatpersonen aus Coyah vermieten.
Umpflanzen von Reis, Guinea, Westafrika, 1998
Reisernte, Guinea, Westafrika , 1998
Der Reis wird zum Trocknen transportiert, Guinea, Westafrika, 1998
Umpflanzen von Reis, Guinea, Westafrika, 1998
Reisernte, Guinea, Westafrika , 1998
Der Reis wird zum Trocknen transportiert, Guinea, Westafrika, 1998
Die Männer müssen kein Holz mehr für die Salzproduktion schlagen. Sie bleiben in den kleinen Dörfern und sichern die Reisfelder gegen steigendes Salzwasser ab. Die Reisproduktion stieg beträchtlich und das Dorf Wondewolia, mit dem wir zusammengearbeitet haben, wuchs von hundert 1991 auf heute mehr als 500 Einwohner!
Die neue Technik brachte auch den Kindern einen Vorteil. Mit der alten Gewinnungsmethode zog die ganze Familie vier, fünf Monate in die Camps zur Salzherstellung. Jetzt erfordert die Produktion weniger Arbeitskraft, allein die Frauen gehen noch zu den Produktionsstätten. Die Kinder bleiben mit den Vätern im Dorf. Im Dorf bleiben heisst, in die Schule zu gehen. Die Kinder besuchen die Schule jetzt länger als vorher. Diese kleine Plastikplane hatte im Endeffekt absolut unglaubliche Auswirkungen!“
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