Einfaches Marketing
In den USA hat Coca-Cola Steviolglycosid schnell vereinnahmt und sich seine Nutzung unter bestimmten Bedingungen patentieren lassen, besonders für seine Produktlinie life mit grünen Etiketten als Symbol für Natur. Hier gilt zu beachten, dass einige Erfrischungsgetränke sich damit brüsten, Stevia zu enthalten, doch in der Regel nicht allein: Auch jede Menge Zucker kommt darin vor6. Diese Praxis wurde eingeführt, um den Getränken das bestmögliche Aroma zu verleihen. „Die Industrie interessiert sich sehr für diese Mischungen“, bestätigt Loïc Briand. „Kombiniert mit Zucker spielen die Süssstoffe die Rolle von Geschmacksverstärkern und erhöhen so die Süsskraft.“ Tatsächlich aber wird die Verbindung mit echtem Zucker genutzt, um den bitteren Nachgeschmack der Stevia zu mildern. „Wir haben nur einen einzigen Rezeptor für Zucker auf der Zunge, im Gegensatz zu 25 Rezeptoren für Bitterkeit.“ Einige Süssstoffe, wie Stevia oder Saccharin, aktivieren beide Rezeptoren gleichzeitig. Zucker überdeckt Bitterkeit, die erst im Anschluss geschmeckt wird.“ Auch das Profil der Süssstoffe im Mund unterscheidet sich vom Zucker, ebenso wie ihre Eigenschaften bei verarbeiteten Lebensmitteln. Ausserdem hat Stevia einen starken natürlichen Lakritz-Nachgeschmack.
Wir halten fest, dass sich die Forschung heute mit immer konzentrierteren, intensiveren Produkten beschäftigt, und dass sich die Industrie der synthetischen Biologie bedient, um durch die natürlichen Pflanzeneigenschaften sowie deren Nutzungsbegrenzungen nicht eingeschränkt zu werden7.
Zahlreiche Produkte mischen Stevia-Extrakt mit anderen Süssstoffen wie Rohrzucker...
©Shutterstock/Grzegorz Czapski
Erhält die einheimische Bevölkerung eine Kompensation für den Stevia-Anbau?
©Shutterstock/casadaphoto
Zahlreiche Produkte mischen Stevia-Extrakt mit anderen Süssstoffen wie Rohrzucker...
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Erhält die einheimische Bevölkerung eine Kompensation für den Stevia-Anbau?
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Biopiraterie
Alle ‚Wunder‘-Produkte sind mit wichtigen wirtschaftlichen Aspekten verbunden. Der Weltmarkt für Stevia umfasste 2014 347 Mio. Dollar. Für 2020 wird er auf 565 Mio. Dollar berechnet, was ein Wachstum von 8,5% bedeutet. Man schätzt, dass der Stevia-Konsum 2020 8,5 Tonnen8 erreicht. In Japan besitzt Stevia bereits 40% des Markts für Süssstoffe.
Neben den Zweifeln an den Vorteilen des Pflanzenextrakts für die Gesundheit prangern Beobachter eine typische Bio-Piraterie zu Lasten der Guarani-Indianer an. Die – vor allem westlichen – Grosskonzerne bieten den Entdeckern der Eigenschaften von Stevia ribaudiana keinerlei Kompensation an9. Das Nagoya-Protokoll der UN-Konvention über biologische Vielfalt schreibt jedoch vor, dass ein Volk einen „angemessenen und gerechten“ Anteil der auf seinem Gebiet genutzten Ressourcen erhalten müsse10.
‚Echter‘ und ‚falscher‘ Zucker
„Echter Zucker ist nicht so leicht zu ersetzen. Ich würde keinem Gesunden empfehlen, zu Süssstoffen zu wechseln. Sie könnten den Organismus in die Irre führen: das Gehirn, das den süssen Geschmack erkennt, wird weiter nach Zucker suchen, und das könnte das Stoffwechselsystem beeinträchtigen. Süssstoffe sind keine Lösung für Menschen, die eine Diät machen“, sagt Loïc Briand. Man geht jedoch davon aus, dass die Nachfrage nach Süssstoffen mittelfristig stark bleibt, vor allem in den Schwellenländern aufgrund der demografischen Entwicklung, der Einkommenszunahme und der Verstädterung. Es sei auch daran erinnert, dass Süssstoffe in den 1980er Jahren einen Verkaufsboom erlebten, als Fettleibigkeit und Diabetes stark zunahmen, und dass sie noch immer eines der Mittel gegen diese Leiden sind11.
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