Wozu dienen MOOCs?
„Sie wollen die Pädagogik inhaltsreicher und vielfältiger gestalten; im Fall der EPFL für ihre eigenen Studierenden. Heute sind Videos allgegenwärtig: Sobald sich etwas ereignet, filmen alle das Ereignis mit ihren Smartphones. Daher erwartet jeder Studierende vom Professor, dass er seine Unterrichtsmaterialien online stellt. Zweites Ziel ist Wissensverbreitung. Denn die MOOCs stehen jedermann, nicht nur den Studierenden der EPFL zur Verfügung. Unser sekundäres Publikum ist die Welt. Mehr als 500 000 amerikanische Studierende haben unsere MOOCs besucht, obwohl einige nicht einmal wussten, wo die Schweiz liegt!“
Sind MOOCs wirklich allen zugänglich?
„Nein, ehrlicherweise muss man sagen, dass – auch wenn eines der MOOCs-Ziele die Öffnung des Wissenszugangs ist – nicht jeder teilnehmen kann. Einige Kurse z.B. für Java-Programmierung können die meisten besuchen. Doch an der EPFL gibt es Onlinekurse in Astrophysik oder Fluiddynamik, deren mathematische Gleichungen jeden Studierenden ohne wissenschaftliche Vorbildung entmutigen würden... Und nicht jedermann möchte die Theorie der Signalverarbeitung erlernen. Kurz gesagt: Alle unsere MOOCs stehen allen offen, sind aber nicht von jedem nutzbar!“
Sie verfolgen die Entwicklung von MOOCs seit fünf Jahren. Welche wichtigen Veränderungen haben Sie festgestellt?
„Heute gibt es viele verschiedene MOOCs. Ihre Vielfalt spiegelt sich im immer breiteren Angebot der grossen privaten Plattformen wie Coursera wider. Einige stellen einen echten Vorteil für den Arbeitsmarkt dar. Für solche Kurse, im Bereich Informatik etwa, werden 50 US-Dollar für einenTeilnahmebeleg gezahlt. Andere MOOCs vermitteln keine berufsspezifischen Kompetenzen, sondern zielen auf akademisches Publikum oder auf Verbreitung bestimmter Inhalte. Dann gibt es auch Kurse für das reine Vergnügen: z.B. mehr über die Beatles erfahren, eine Sprache oder Gitarrespielen lernen und so weiter. Ganz zu schweigen von MOOCs für die Persönlichkeitsentwicklung, in denen Sie z.B. lernen, glücklich zu sein.“
Hat sich auch die Art der Teilnahme geändert?
„Ja! Veröffentlichungstermine und Teilnahmemöglichkeiten an MOOCs sind vielfältiger geworden. Früher gab es nach dem Vorbild von Universitätskursen einen Kurs pro Woche, doch man hielt dies bei einigen Teilnehmern für zu schnell. Deshalb stellte man MOOCs ununterbrochen zur Verfügung. Doch dieses Modell gefährdet die Gruppendynamik eines regelmässig abgehaltenen Kurses, während andererseits Dutzende Studierende im Forum diskutieren und ihre Arbeiten zum selben Zeitpunkt abgeben müssen. Es gab auch eine Mischform, die jeden Monat mit einer neuen Gruppe startete und so den gleichen Kurs mehrmals pro Jahr anbot. Zahlreiche Forschungsarbeiten beschäftigen sich mit den verschiedenen Eigenschaften der jeweiligen Modelle, die den Teilnehmern gefallen oder auch nicht.
Welche Finanzierungsmodelle gibt es?
„Es gibt sogenannte Freemium-Modelle, die kostenlos sind, für deren Teilnahmebescheinigung man jedoch bezahlen muss. Daneben werden Spezialisierungen, also Paketangebote mit vier oder fünf kürzeren MOOCs zum selben Thema angeboten. Die umfangreicheren, acht bis neun Wochen dauernden MOOCs werden übrigens immer weniger, sie dauern in der Regel nur noch vier oder fünf Wochen mit einem von den Studierenden zu realisierenden Mini-Projekt am Ende.“
Kann man den Einfluss der MOOCs auf die Bildungswelt messen?
„Im Hochschulwesen gibt es niemals eine echte Revolution, doch dank der MOOCs sind unglaubliche Dinge passiert! Die EPFL entwickelte sich zu einer weltweit, auch ausserhalb der akademischen Welt bekannten Einrichtung. Bei unseren Studierenden stellen wir fest, dass diejenigen, die die mit ihren Kursen zusammenhängenden MOOCs besuchen, bessere Prüfungsergebnisse liefern. Die Professoren wiederum machten ihre Lehrinhalte besser sichtbar, weil sie nicht mehr nur einer beschränkten Zuhörerschaft zugänglich sind. Die Veränderung greift also tief: Die Lehre gewinnt an Anerkennung, und die Studierenden hängen weniger vom Professor ab.“
Das Alimentarium stellt nun seine eigenen MOOCs über die Plattform Alimentarium Academy online. Was haben Sie dazu beigetragen?
„Bei der Realisierung der für Kinder und Jugendliche von 8 bis 16 Jahren konzipierten MOOCs vermittelte ich zwischen der ausführenden CoorpAcademy aus dem Innovationspark der EPFL und dem Alimentarium. Wir überlegten: Im Grunde können wir für Kinder keine MOOCs machen, sondern es müssen MOOGs sein – ‘Massive Open Online Games’, ein Begriff, den wir eigens erfunden haben. Man muss sich immer nach der Zielgruppe richten. Also war mein Rat: Macht Spiele, die so konstruiert sind, dass Lehrer dabei Daten sammeln und anschliessend mit den Kindern darüber sprechen. Denn man kann tausend Stunden spielen, ohne irgendetwas zu lernen!“
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