In Mexiko fürchtet man den Tod nicht: Er gehört zur Natur der Dinge und ist unvermeidlich. «Der Mexikaner sucht, streichelt, feiert den Tod, er macht sich über ihn lustig und schläft mit ihm; er ist sein Lieblingsspielzeug und seine treueste Geliebte».(1)Und jedes Jahr feiert und würdigt Mexiko die Toten mit einer Fülle traditioneller Gerichte.
Der Tag der Toten ‒ El día de los muertos ‒ ist einer der wichtigsten Feiertage in Mexiko. Für einen Europäer wirkt er faszinierend und geheimnisvoll zugleich. In unserer Kultur spricht man meist nicht über den Tod, er ist ein Tabu. In Mexiko dagegen gehört er zum Leben und zieht sich wie ein roter Faden durch die Volkskultur. Wider Erwarten hat der Tag der Toten weder etwas Morbides noch Trauriges, im Mittelpunkt stehen vielmehr Lebensfreude und Farbenpracht.
Seit nahezu 3000 Jahren ist der Totenkult tief in der mexikanischen Kultur verwurzelt. Für zahlreiche präkolumbianische Zivilisationen waren das Leben und der Tod eng miteinander verbunden; sie verkörperten zwei ergänzende und nicht voneinander zu trennende Pole der menschlichen Existenz und der Schöpfung.
Ein alter Ritus der Azteken
Es ist ein Fest, das die Azteken im Sommer feierten und das dem heutigen Día de los muertos zugrunde liegt.(2) Diese Gedenkfeierlichkeiten für die Toten fielen jeweils mit dem Ende der Mais-, Kürbis- und Bohnenernte zusammen und fanden ihren Höhepunkt in gigantischen Festmahlen aller – Lebenden wie Toten. Bereits der spanische Eroberer Bernal Díaz del Castillo(3) beschrieb diesen Brauch als ein Mosaik voller Farben und Aromen.
Bei ihrer Ankunft auf mexikanischem Boden waren die spanischen Eroberer bestürzt über diese barbarischen und primitiven Praktiken. Um die Einheimischen zu unterwerfen und sie zum Christentum zu bekehren, änderten die Spanier das Datum der Festlichkeiten und legten sie zeitlich mit Allerheiligen und Allerseelen im November zusammen. Daraufhin folgte ein langer Prozess der Verschmelzung der Kulturen, bei dem sich katholische Bräuche allmählich mit prähispanischen Riten vermischten. Bis heute gedenkt das mexikanische Volk der Seelen ihrer Verstorbenen. Diese kehren jedes Jahr vom 31. Oktober bis zum 2. November in die Welt der Lebenden zurück, um mit ihnen zusammen zu schlemmen.