FOOD2049
Wovon ernähren wir uns 2049? Werden wir in einer dystopischen Welt leben, in der das gruselige Einheitsnahrungsmittel die ultimative Lösung ist? Oder in einem High-Tech-Schlaraffenland, wo Hunger definitiv der Vergangenheit angehört?
Science-Fiction und Zukunftsromane entwickelten seit jeher Ideen, wie sich die Menschen in einer mehr oder weniger fernen Zukunft ernähren werden.
FOOD2049, die neue Sonderausstellung des Alimentarium, lädt ein, in die Vergangenheit einzutauchen, um die aus der Populärkultur entstandenen Vorstellungen zu erforschen und mit den aktuellen Trends, Innovationen und wissenschaftliche Thesen abzugleichen. Der Titel der Ausstellung nimmt Bezug auf den Science-Fiction-Kultfilm Blade Runner und sein kürzlich erschienenes Remake Blade Runner 2049.
Flüssignahrung, vollautomatisierte Küche und Landwirtschaft, Einheitsnahrungsmittel oder „Arche Noah 2.0“ − FOOD2049 befragt die vergangenen Vorstellungen von der Zukunftsnahrung anhand von vier Themenbereichen.
Das Scienticafé: Wenn Essen endlich zum ungestörten Vergnügen wird
Die wissenschaftliche Euphorie des beginnenden 20. Jhs. verkündete eine Zukunft ohne Messer und Gabel, in der sogar das Kauen überflüssig wird. In seinem Roman Ralph 124C 41+ stellt sich der amerikanische Schriftsteller Hugo Gernsback eine halbflüssige Nahrung vor, die den Gebrauch von Essutensilien obsolet werden lässt. Seiner Meinung nach führt diese neue Art des Essens die Menschheit erst zu echter Gaumenfreude. Das althergebrachte Restaurant, das er „Ort des Kauens“ nennt, wird zum „Scienticafé“, wo die Gäste in bequemen Ledersesseln die Speisen über Röhren zu sich nehmen. Fleisch, Gemüse und andere Lebensmittel − alles wird flüssig serviert.
Weitere Szenarien interpretieren uns vertraute Umgebungen von Essen und Ernährung neu oder verzerren sie auf humoristische Weise. Die Küche, das Esszimmer oder gar die Tischmanieren werden wie in der deutschen Werbung für eine „Essmaschine“ aus den 1930er Jahren ins Lächerliche gezogen: Die Maschine nimmt den beiden Gästen die lästige Mühe ab, das Essen zum Mund zu führen und füttert sie wie Kleinkinder. Beide sind wohlbeleibt, was ihre Freude an gutem Essen und ihren Hang zur Faulheit unterstreicht. Die Entlastung von Essenszubereitung und Nahrungsaufnahme durch Roboter ist ein wiederkehrendes Thema in Darstellungen von Essen und menschlicher Ernährung der Zukunft.
Die Essmaschine, Farblitho-Werbekarte für Echte Wagner-Margarine aus der Serie Humoristische Technik, 1930, Deutschland © coll. Agence Martienne
Cyber-Schlaraffenland: Die Küche auf Knopfdruck
Den Visionen futuristischer Tischmanieren vom beginnenden 20. Jh. folgen die technischen Utopien der 1950er Jahre. Sie träumen von einer Zukunft, in der die Menschen von der mühsamen Aufgabe der Essenszubereitung befreit sind. Der amerikanische Traum besteht in der „Smart Kitchen“, die unsere Befehle ausführt und unsere Wünsche und Bedürfnisse errät. Das Ideal einer automatisierten, massgeschneiderten Küche erinnert an zwei bekannte, imaginäre Orte: das Schlaraffenland, wo allein durch Gedankenkraft alle kulinarischen Wünsche sich erfüllen, und das unerschöpfliche Füllhorn. In der seit den 1980er Jahren populären Serie Raumschiff Enterprise ‒ Das nächste Jahrhundert gibt es den Replikator, eine Maschine, die auf molekularer Ebene alles reproduziert, was man verlangt. Sie macht die menschliche Gesellschaft des 24. Jhs. ohne Hunger und Tierausbeutung, dafür mit perfekt ausgewogenen Mahlzeiten möglich.
Bereits im 16. Jh. erdachte sich der englische Denker Thomas Morus die Bürger seines imaginären Landes ohne diese lästige Pflicht. Allerdings verbannte auch er Frauen und Sklaven in die für sie bestimmten Küchen.
Im 20. Jh. übernimmt eine andere Art von Sklaven: die Roboter (vom tschechischen robota, Arbeit, Frondienst). Mixer, Rührmaschinen und andere Küchengeräte ersetzen die vielen Handgriffe durch einen einzigen: das Drücken auf den Knopf.